Sanfte Schmerzhelfer aus der Natur
Manchmal schleicht er sich an, manchmal trifft er uns wie aus dem Nichts: Schmerz.
Ob Kopf, Rücken oder Gelenke, viele greifen dann instinktiv zur Tablette – so wie wir das vermutlich auch von klein auf kennen.
Die Errungenschaft moderner Medikamente ist unbestritten ein Segen, doch Schmerzen gab es schon vor der industriellen Revolution und der Entwicklung chemisch-technischer Verfahren – und die Menschen haben Schmerzen selbstverständlich damals auch nicht einfach so hingenommen, sondern nach Lösungen zur Linderung gesucht. Dass sie die auch gefunden haben, lässt sich bis in die Antike zurückverfolgen. Sie haben eben mit dem gearbeitet, was ihnen zur Verfügung stand: der Natur. Hippokrates, Hildegard von Bingen oder Paracelsus sind einige der bekanntesten Vertreter der Pflanzenheilkunde – und es gibt noch sehr viele mehr – die mit pflanzlichen Mitteln so unglaublich tolle Heilerfolge vorzuweisen haben.
Leider ist dieses Wissen mit dem Fortschritt der Technik immer weniger weitergegeben worden und vielfach fast in Vergessenheit geraten, denn gerne halten wir etwas für besser, nur weil es neu ist… Dabei haben prominente Vertreter der pharmazeutischen Produkte ihren Ursprung in der Natur – wie z.B. Aspirin. Besonders eines der natürlichen Vorbilder kennt vermutlich fast jeder: mit den hübschen, flauschigen Kätzchen, die den Frühling einläuten – die Weide.
Sie begleitet den Menschen schon seit Jahrhunderten, aus ihren biegsamen Zweigen wurden viele Dinge geflochten, wie z.B. Körbe, Zäune, Kränze, sogar Möbel ( einige von Euch werden den guten alten Korbsessel noch kennen…😉)
Dass die Weide bei Schmerzen hilft, wusste schon Hippokrates vor über 2.000 Jahren: er empfahl Aufgüsse aus Weidenrinde bei Schmerzen und Fieber – auch wenn er den Wirkstoff noch nicht benennen konnte. Im 19. Jahrhundert fand man heraus, welcher Inhaltsstoff der Weidenrinde die entscheidende Wirkung hatte: Salicin. Im Jahr 1828 gelang es dem deutschen Apotheker Johann Andreas Buchner, das Salicin erstmals aus der Weidenrinde zu isolieren. Und nur zwei Jahre später stellte der französische Chemiker Henri Leroux den Wirkstoff in größerer Reinheit her.
Kurzer (versprochen…😉) wissenschaftlicher Exkurs
Salicin ist ein sogenanntes Glykosid, das im Körper erst umgewandelt werden muss. Nach der Einnahme wird es in der Leber zunächst zu Salicylsäure verstoffwechselt – und diese wirkt dann fiebersenkend, schmerzstillend und entzündungshemmend.
Acetylsalicylsäure (ASS), also das, was wir heute als Aspirin kennen, ist eine chemisch veränderte Form der Salicylsäure.
Salicin oder Aspirin – erkennt der Körper den Unterschied?
Auf den ersten Blick: nein. Chemisch betrachtet kann der menschliche Körper synthetisch hergestellte Substanzen genauso erkennen und verarbeiten wie natürliche – wenn die Molekülstruktur identisch ist. Genau das ist ja das Ziel der Synthese: eine exakte Kopie des natürlichen Wirkstoffs herstellen.
Aber – und das ist ein großes Aber – die Natur verpackt ihre Wirkstoffe niemals allein.
In der Weidenrinde wirkt das Salicin eingebettet in ein ganzes Pflanzensystem: mit Gerbstoffen, Flavonoiden, ätherischen Ölen und vielen kleinen, oft kaum erforschten Begleitstoffen. Diese Pflanzenmatrix sorgt dafür, dass die Wirkung sanfter, ganzheitlicher und oft auch verträglicher ist. 🌿
Die synthetische Acetylsalicylsäure (ASS) hingegen ist isoliert, konzentriert und wirkt dadurch stärker, aber auch einseitiger. Das kann sehr effektiv sein – zum Beispiel bei akuten Schmerzen oder zur Blutverdünnung – aber es bedeutet auch: höheres Risiko für Nebenwirkungen, vor allem im Magen-Darm-Trakt, im Herz-Kreislauf-System und bei Überdosierung.
Kurz gesagt:
- Der Körper erkennt die Substanz – ja.
- Aber ohne den pflanzlichen Kontext fehlt dem synthetischen Stoff die natürliche Balance.
- Das macht ihn oft schneller wirksam – aber auch risikobehafteter.
Man braucht da nur den Beipackzettel von Tabletten mit Weidenrindenextrakt und den von Aspirin zu vergleichen: letzterer ist um ein vielfaches länger…
In der Pflanzenheilkunde wird Weidenrinde traditionell eingesetzt bei:
- Kopfschmerzen
- Gliederschmerzen
- Gelenkbeschwerden (z. B. bei Rheuma)
- Fieberhaften Infekten
Für diese Anwendungsgebiete gibt es sogar eine positive Einstufung der Kommission E ( ein offizielles Expertenteam, das sich mit der Wirksamkeit pflanzlicher Heilmittel beschäftigt).
Angewendet wird Weidenrinde als Tee oder Tinktur, mittlerweile sind auch einige gute Fertigpräparate erhältlich. Nebenbei schmeckt ein Tee aus Weidenrinde auch richtig lecker… 🍵
Wichtig zu wissen dabei:
Die Wirkung der Weidenrinde tritt langsamer ein als bei einer Tablette, nach ca. 2-3 Stunden. Dafür hält die Wirkung bis zu 12 Stunden an und ist mit weniger Nebenwirkungen verbunden.
Passend zur Jahreszeit konzentriere ich mich heute zwar auf die Weide – weil jetzt die beste Zeit ist, um Weidenrinde zu sammeln, da die Konzentration an Inhaltsstoffen im Frühjahr besonders hoch ist – aber auch andere Pflanzen enthalten Salicin. Eine weitere Baumart mit einem hohen Gehalt an Salicin ist die Pappel. Meinen Liebling, das Mädesüß, stelle ich Euch einmal in einem eigenen Porträt vor – nur eins schon mal vorab: ich kenne keine andere Pflanze, deren Blüten so lecker nach Vanille und Mandeln duften…💕
Vielleicht hat den einen oder anderen von Euch beim Griff zur Tablette ja auch schon mal ein leises unbehagliches Gefühl beschlichen – mit diesem Artikel möchte ich Euch zeigen, dass es auch wertvolle Alternativen gibt und dass wir nicht abhängig sind von industriell hergestellten Chemiewunderwerken…🌱
Zum Schluss noch eines:
So sanft Pflanzen auch wirken – sie sind keine Spielzeuge.
Gerade salicylhaltige Pflanzen wie Weidenrinde oder Mädesüß haben eine klare Wirkung auf unseren Körper – und damit auch Kontraindikationen, über die man sich vor Gebrauch genau informieren sollte, wie bei jedem anderen Medikament auch.
Wenn Du unsicher bist, hol Dir Rat. Jeder Kräuterkundler – mich natürlich eingeschlossen 😉 – wird Dir super gerne Auskunft geben. Kräuterheilkunde wirkt – und genau deshalb verdient sie Achtsamkeit, Respekt und Fachwissen. Und eine ordentlich Portion Liebe, denn sie so unglaublich wirksam und bereichernd. Sie ist kein Trend – sie ist ein Wissen, das erinnert werden will. In Dir, durch Dich, für Dich. 🌿
Rechtlicher Hinweis
Dieser Beitrag dient der Vermittlung von Wissen rund um Wildpflanzen und ihre traditionelle Verwendung. Er ersetzt keine medizinische Beratung, Diagnose oder Behandlung. Bei gesundheitlichen Beschwerden wende Dich bitte an eine Fachperson. Es werden keine Heilaussagen getroffen.





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