Nö. Vorgestern war die Wintersonnenwende – der kürzeste Tag des Jahres: von jetzt an wird es jeden Tag ein wenig länger hell sein – und in wenigen Wochen wirst Du das auch ganz deutlich sehen… 🔆
Deshalb lade ich Dich auf einen kleinen Gedankenausflug ein. 🌿
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Keinen Kalender. Keine Wochentage. Kein „Montag 8:30“, kein „Abgabefrist am Freitag“, kein „Erster Advent“. Kein „Noch 10 Minuten“. Keine Kalender-App, die Dir sagt, was Du wann zu tun hast. Keine Wetter-App, die Dir sagt mit welcher Temperatur Du rechnen kannst. Keine Skala, die Dich von außen steuert.
Wie würde Dein Tag dann aussehen?
Du würdest aufwachen, wenn das Licht langsam den Raum erhellt. Du würdest essen, wenn Du Hunger hast – nicht nach Uhrzeit, sondern weil Dein Körper es Dir sagt. Du würdest Dein Tagwerk verrichten, solange Du Kraft hast – und ruhen, wenn die Schatten länger werden und die Sonne schließlich untergeht.
Du würdest am Stand der Sonne sehen, ob es früher Morgen oder eher später Nachmittag ist. Dir würde auffallen, wie sich die Temperaturen und die Luft im Laufe des Tages verändern.
Du würdest die Zeit nicht mehr messen, sondern wahrnehmen.
Der Rhythmus der Natur ist nie weg – wir hören ihn nur nicht mehr.
So wie ein Tag allein durch beobachten eine Struktur bekommen kann – so auch das Jahr.
- Wenn die Tage länger werden, die Vögel morgens wieder anfangen zu singen und die ersten frischen Pflänzchen sich aus der Erde wagen – dann wüsstest Du, dass der Winter sich dem Ende zuneigt.
- Den Frühling würdest Du daran erkennen, dass die frostigen Nächte weniger werden, die Nächte nicht mehr länger sind als die Tage. Daran, dass die Sonne langsam wieder richtig wärmt, der Duft nach frischer Erde in der Luft liegt und die Farbe Grün immer mehr die Landschaft bestimmt. Du spürst, wie Deine Energie nach dem Winter wieder erwacht und es Dich nach draußen zieht.
- Den Sommer erkennst Du auch, ohne dass Dir der Kalender den Monat Juni anzeigt: die Tage sind warm und herrlich lang, alles ist üppig grün und blüht in fast verschwenderischer Fülle. Der Himmel leuchtet in kräftigem Blau und wenn die Sonne am höchsten steht, ist es unglaublich hell – alles scheint irgendwie zu leuchten.
- Wenn Getreide, Gemüse und Obst reif geworden sind, die ersten Morgennebel über den Wiesen liegen, die ersten Blätter sich verfärben, die Vögel sich für den Zug in den Süden sammeln – dann wäre das für Dich ein Zeichen, Dich vom Sommer zu verabschieden und auf den Winter vorzubereiten.
- Wenn sich der erste Raureif und die erste dünne Eisschicht auf dem Wasser zeigen, dann weißt Du, der Winter hat Einzug gehalten. Die Sonne hat an Strahlkraft verloren und das Licht erscheint auch am hellsten Moment des Tages ehr fahl. Und wie draußen das Licht an Kraft verliert und die Nächte länger werden als die Tage, so nimmt Dein Bedürfnis nach Ruhe und Rückzug zu. So wie der Gesang der Vögel hat das „Draußen“ jetzt für eine Weile Pause.
Lange bevor es Kalender und elektrisches Licht gab, lebten die Menschen genau so: nach dem, was sie sahen, hörten, rochen, fühlten. Sie merkten, dass die Zeit nicht einfach so dahinrauscht – alles in der Natur folgt einem zyklischem Rhythmus: auf eine dunkle und kalte Zeit folgt unweigerlich wieder eine Zeit der Helligkeit und Wärme.
Und genau aus dem, was die Menschen in der Natur wahrnahmen, sind die Jahreskreisfeste als Orientierungspunkte entstanden. Als sichtbare und verlässliche Anhaltspunkte dienten der Lauf der Sonne (Jahreszeiten, Tag-und-Nacht-Gleichen, Sonnenwenden) und der Mondzyklus (Voll‑ und Neumond, zunehmend/abnehmend). Beide Himmelskörper waren sichtbare Marken, die die Monate und das Jahr gliederten.
Wir wissen, dass acht Feste gefeiert wurden – vier Sonnenfeste und vier Mondfeste. Sie waren tief verbunden mit dem Leben, denn die Menschen feierten kein bestimmtes Datum – sondern das, wofür die jeweilige Zeit stand: Aufbruch, Wachstum, Reife, Rückzug, Sterben und Wiedergeburt.
Dieser Brauch ist älter als das Christentum, war den kirchlichen Würdenträgern aber ein Dorn im Auge. Dennoch blieben die Menschen beharrlich und gaben ihre Jahreskreisfeste nicht auf. Also wurden viele davon im christlichen Sinne umgedeutet – wie Maria Lichtmess (2. Februar) oder Allerheiligen (1. November).
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Das sind die acht Jahreskreisfeste, wie sie in ihrer ursprünglichen Form gefeiert wurden:
🕯️ Yule (21. Dezember) – Wintersonnenwende, das Wiederkehren des Lichts
🌱 Imbolc (1./2. Februar) – erstes Aufkeimen, Segen der Saat
🌸 Ostara (20./21. März) – Frühlingstagundnachtgleiche, Balance, Neubeginn
🔥 Beltane (30. April/1. Mai) – Lebenslust, Fruchtbarkeit, Übergang ins helle Jahr
🌾 Litha (21. Juni) – Sommersonnenwende, höchste Fülle, Wendepunkt
🍇 Lughnasadh (1. August) – erste Ernte, Danksagung, Teilen
🍂 Mabon (21./22. September) – Herbsttagundnachtgleiche, Ausgleich, Loslassen
🕸️ Samhain (31. Oktober/1. November) – Ahnenzeit, Tod, Rückkehr in die Stille
Und heute?
Heute leben viele von uns in einem Takt, der nicht mehr viel mit dem Kreislauf der Natur zu tun hat. Der nur eine Richtung zu kennen scheint: immer weiter, immer leisten, immer in Hochform, immer durchorganisiert, immer effizient – Pausen sind eher ein Zeichen von Schwäche geworden, statt selbstverständlicher Teil des Lebens. Unsere Tage werden von Anforderungen im Außen gesteuert, elektrisches Licht ermöglicht arbeiten rund um die Uhr. Das Gefühl für den natürlichen Rhythmus ist sehr vielen von uns verloren gegangen…⏱️
Aber weißt Du was? Das innere Wissen um den Rhythmus der Natur und des Lebens ist immer noch in Dir – auch wenn es vielleicht etwas „verschüttet“ ist… 🌱
Bestimmt findest Du Dich bei dem einen oder anderen wieder:
- wenn Du an dunklen, trüben Tagen früher müde wirst – auch ohne mehr gearbeitet zu haben.
- wenn Du bei strahlendem Sonnenschein plötzlich bessere Laune hast – ganz ohne äußeren Grund.
- wenn Du morgens zur gleichen Zeit viel leichter aus dem Bett kommst, wenn es schon hell ist
- wenn Du im Frühling das Bedürfnis hast, auszumisten, etwas zu verändern
- wenn Du im Herbst gerne etwas Heißes trinkst, Kerzen anzündest und das Bedürfnis nach Deinem Kuschelsessel hast
- wenn Du im Januar alles auf Neustart setzen möchtest
- wenn Du im Sommer lange wach bist und voller Tatendrang steckst
- wenn Du im Winter mehr Appetit auf Deftiges hast – und weniger Lust auf kalte Speisen
- wenn Du am Nachmittag spürst, dass Deine Energie sinkt, obwohl „noch viel zu tun“ wäre
- wenn Du in der Natur plötzlich „runterkommst“, ohne zu wissen, warum
- wenn Du beim ersten Vogelgesang im Jahr vielleicht ein Lächeln im Gesicht hast
- wenn Du spürst, dass eine Idee „noch reifen“ muss – und etwas später plötzlich ganz leicht umgesetzt werden kann
- wenn Du manchmal das Gefühl hast, „jetzt ist Erntezeit“ – weil Dinge aufgehen, für die Du lange gearbeitet hast…
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Die Jahreskreisfeste sind kein Pflichttermine – sie sind eine Einladung
Zum Innehalten. Dazu, all unsere Sinne zu gebrauchen und aufmerksam in die Welt um uns herum zu schauen. Die großen und kleinen Veränderungen im Laufe eines Jahres bewusst wahrzunehmen – statt im Dauermodus an so vielem Erlebenswerten vorbeizueilen. Es geht überhaupt nicht darum, feste „Programmpunkte“ einzuhalten, Gestaltungsvorgaben zu beachten und alles nach Vorschrift zu absolvieren, nur damit „das Fest gefeiert ist“.
Gestalte diese Momente so, wie Du Freude daran hast. Vielleicht magst Du ja:
- es Dir mit einer Kerze gemütlich machen und überlegen, was Dir an diesem Tag Schönes begegnet ist
- im Frühling nach draußen gehen und ein Foto vom ersten frischen Grün machen
- bei Vollmond und bei Neumond nach draußen gehen und schauen, welchen Unterschied das bei der Helligkeit der Nacht macht
- Dir einen Moment Zeit nehmen und in Dich hineinhören: wo stehe ich gerade? Was darf gehen – worauf freue ich mich?
- Dir im Herbst ein paar Kastanien in die Tasche stecken
- Deine Wohnung mit Naturmaterialien der Jahreszeit dekorieren
- Dir selbst ein kleines Ritual gestalten: vielleicht möchtest Du räuchern oder an jedem Jahreskreisfest einen bestimmten Ort aufsuchen
- auf der Fensterbank etwas säen, z.B. Kresse oder Petersilie
- aus Naturmaterialien etwas gestalten – einen Efeukranz oder eine Schale mit Moos, Eicheln, Nüssen, Hagebutten…
- eine Mahlzeit bewusst aus den Zutaten kochen, die die Saison Dir schenkt
- eine Schublade oder ein Schrankfach „entrümpeln“
Du merkst, es ist ein ganz wichtiges Thema – also ist das Türchen heute ein bisschen größer ausgefallen… 😉





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