Jetzt, Mitte August, wenn der Sommer nochmal Vollgas gibt, die Felder goldgelb werden und überall die Mähdrescher unterwegs sind um die Ernte einzufahren, ziehe ich auch los zum Sammeln. Der August ist eine Zeit des Übergangs: vom Hochsommer zum Spätsommer, von der vollen Blüten zum Reifen der Samen und Früchte. Genau in dieser Phase sind viele Heilpflanzen besonders wirkstoffreich, ihre Kräfte konzentrieren sich, bevor sie sich im Herbst zurückziehen. Der perfekte Zeitpunkt um sie zu sammeln und für den Winter haltbar zu machen, zum Beispiel als „Kräuterbuschen“: zu Bündeln gebunden, getrocknet und griffbereit aufgehängt.
Dieser Brauch reicht bis in vorchristliche Zeit zurück. Bei den Kelten z.B. wurde im August das Erntefest Lughnasadh gefeiert, meist verbunden mit dem Brot aus dem ersten frischen Getreide des Jahres. Die gesammelten Kräuter wurden den Göttern geweiht, sie sorgten für Schutz von Haus und Hof und dienten als Vorrat an Heilpflanzen. Das Wissen um diese Heilkräuter wurde hoch in Ehren gehalten, denn etwas anders, als die Natur bot, hatte man zur Behandlung von Krankheiten nicht. Diese Kenntnisse und Erfahrungen wurden von jeder Generation kundiger Frauen vertieft und an die nächste weitergegeben.
Die Kirche hat dem im 8. Jahrhundert dann einen christlichen Anstrich gegeben – denn trotz Verbot dieser „heidnischen“ Bräuche ließen sich die Kräuterkundigen nicht davon abhalten – und so wurde aus der alten Tradition die christliche Sitte der Kräuterweihe zu Maria Himmelfahrt am 15. August. Die gibt es bis heute noch in vielen katholischen Gegenden – dabei werden kunstvoll gebundene Kräuterbündel in die Kirche gebracht und geweiht.
Egal, welchen „religiösen“ Anstrich dieser Brauch des Kräuterbuschens hat – es ist eine schöne und wertvolle Tradition. Geprägt von Achtung und Respekt vor der Natur und der Kraft der Pflanzen.
Die Anzahl an Kräutern in einem solchen Buschen ist regional verschieden: meistens 7 oder 9, manchmal auch 12. Es ist allerdings auch nicht unwahrscheinlich, dass vor allem für die Hausapotheke ganz pragmatisch diejenigen Kräutern verwendet wurden, die in der Gegend wuchsen und erfahrungsgemäß am häufigsten gebraucht wurden.
Frische oder auch getrocknete Kräuter?
Traditionell wird der Buschen aus frischen Kräutern gebunden – direkt nach dem Sammeln. Dafür eignet sich am besten ein trockener und sonniger Vormittag, wenn der Tau abgetrocknet ist. Das reduziert zum einen die Schimmelgefahr, zum anderen haben die Pflanzen dann den höchsten Gehalt an ätherischen Öle und wirksamen Inhaltstoffen. Manchmal liest man aber auch, dass im Frühjahr getrocknete Kräuter mit den frischen zusammen verwendet wurden.
Ich halte es so: ich binde frisch, was gerade blüht und kräftig ist. Meine getrockneten Kräuter vom Frühjahr bewahre ich in Dosen auf. In den Buschen kommen bei mir die Kräuter, die ich fast ausschließlich in der Hausapotheke einsetze – sonst würde der Buschen zu umfangreich und unhandlich.
Zum Trocknen: Am besten bindest Du die Pflanzen locker zusammen und hängst sie kopfüber an einen luftigen, schattigen Ort. Direktes Sonnenlicht laugt aus, Feuchtigkeit begünstigt die Schimmelbildung. Ob die Kräuter richtig trocken sind, merkst Du daran, dass sie leicht zu zerreiben sind und beim Bewegen rascheln und knistern. Das dauert zwischen zwei und vier Wochen, je nachdem, wie kräftig oder fein die Pflanzen sind. Und der Duft erinnert Dich vielleicht noch Monate später an den Tag, an dem Du gesammelt hast. 🌿
Welche Kräuter gehören rein?
Je nachdem was ich finde und was ich erfahrungsgemäß am meisten brauche, sieht mein Kräuterbuschen zum Beispiel so aus:
- Beifuß – meine Wächterin. Sie schützt, reinigt, stärkt.
- Thymian – klein und kraftvoll. Gut für die Atemwege und das Herz.
- Schafgarbe – entzündungshemmend und wundheilend, unterstützt die Wirkung anderer Kräuter
- Salbei – klärend, sowohl körperlich als auch geistig.
- Gelber Steinklee – entzündungshemmend, blutverdünnend
- Johanniskraut – bei kleinen Wunden
- Goldrute – bei Harnwegsbeschwerden
- Königskerze – bei Atemwegserkrankungen
- Baldrian – wenn’s mal hektisch zugeht
- Odermennig – bei Durchfall oder Entzündungen im Mund- oder Rachenraum
Manchmal „spricht“ mich bei meinen Streifzügen auch das eine oder andere Kraut an, das ich nicht unbedingt auf dem Schirm hatte – fast ist es so, als würden die Kräuter MICH finden, und nicht ich sie… 😉💚
Wichtiger Hinweis: dieser Artikel dient der reinen Informationsvermittlung und stellt keinerlei Heilaussage oder Empfehlung zur Anwendung bei Erkrankungen dar. Ich beschreibe ausschließlich, wie ich diese Kräuter verwende. Bei Beschwerden immer einen Arzt oder Heilpraktiker zu Rate ziehen.
Aber was ich noch super wichtig finde: Verwende die Kräuter, die für DICH passen. Was bei Dir wächst, was Dir Dein Gefühl sagt, was Dir begegnet. Dein Buschen muss keinem Muster folgen. Nur Deinem inneren Kompass.
Sind Kräuterbuschen denn überhaupt noch zeitgemäß?
Oft höre ich: „Aber wir haben doch heute Apotheken, Tees in Beuteln, Medikamente mit exakter Dosierung.“
Ja, haben wir. Und das ist ein Segen. Aber vieles von dem, was wir da kaufen, stammt ursprünglich aus genau diesen Pflanzen, nur extrahiert, isoliert, normiert.
In einem Kräuterbuschen steckt mehr als die Summe seiner Wirkstoffe. Es ist eine Rückverbindung – zur Natur, zum Jahreskreis, zu uns selbst.
Wenn ich im Winter meine Hände aufwärme und ein wenig Thymian für den Tee zerreibe, dann erinnere ich mich nicht nur an einen Sommertag im August.
Ich erinnere mich daran, dass ich selber etwas tun kann kann. Dass ich nicht abhängig von anderen bin. Dass Heilung oft mit dem beginnt, was direkt vor der Haustür auf mich wartet.
Vielleicht ist das Binden eines Kräuterbuschens kein spektakuläres Ereignis. Es macht keine Schlagzeilen, hat kein Zertifikat, keine Trendfarbe.
Aber es hat Tiefe. Und Wirkung. Und vielleicht auch ein bisschen Magie – die Art von Magie, die entsteht, wenn Wissen, Achtsamkeit und Natur zusammenkommen.
Und wer weiß – vielleicht spürst Du ja auch irgendwann diesen leisen Impuls: zu sammeln, zu binden, zu bewahren. Nicht aus Nostalgie, sondern aus echtem Bedürfnis.
Weil es gut tut. Weil es hilft. Weil es verbindet…🌿





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